CO₂-Schattenpreis in der Bauindustrie – wir klären auf!

January 17, 2024
Autor/in:
Madita Harnisch

In diesem Artikel geht es um Klimaneutralität und Klimaverträglichkeit in der Baubranche und das CO₂-Schattenpreis-Modell des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie in Zusammenarbeit mit KPMG Law.

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Klimaneutralität vs. Klimaverträglichkeit: Ein tieferer Blick

In der Baubranche sind Begriffe wie "Klimaneutralität" und "Klimaverträglichkeit" mehr als nur modische Schlagworte; sie prägen die Zukunft der Branche. Während Klimaneutralität häufig als Endziel betrachtet wird, geht es bei Klimaverträglichkeit um einen proaktiven Ansatz, der darauf abzielt, den CO₂-Fußabdruck zu minimieren und umweltfreundliche Praktiken zu fördern. Klimaverträglichkeit setzt dabei klare Standards für nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Bauen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen.

Die gesellschaftliche Verantwortung und CO₂-Ziele

Es ist unbestreitbar, dass die Baubranche eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Erreichung der CO₂-Ziele spielt. Durch das Pariser Abkommen und andere internationale Vereinbarungen hat sich die Branche verpflichtet, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren. Die öffentliche Hand, Unternehmen und andere Akteure stehen vor der Herausforderung, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Erderwärmung zu begrenzen und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Das “CO₂-Schattenpreis-Modell”: Eine transformative Bewertungsmethode 

Der Begriff “Schattenpreis" ist vielen eher unter “Opportunitätskosten” bekannt. Der CO₂-Schattenpreis beschreibt folglich den entgangenen Nutzen ,wenn man sich für eine bestimmte Option entscheidet und dabei andere Möglichkeiten außer Acht lässt.

Das “CO₂-Schattenpreis-Modell” des Hauptverbands der Deutschen Bauindustriestellt eine transformative Methode dar, um den CO₂-Fußabdruck von Bauprojekteneffektiv zu bewerten und zu reduzieren.

Im Kern ermöglicht dieses Modelleine monetäre Bewertung der CO₂-Emissionen, die bei der Realisierung eines Bauprojekts entstehen. Durch die Integration dieser Bewertung in die Kostenkalkulation erhalten Unternehmen einen ganzheitlichen Überblick über die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen ihrer Bauprojekte.

Ein vereinfachtes praktisches Beispiel: Ein Beton mit 50 Gramm CO₂ pro Kubikmeter führt bei 1000 Kubikmetern zu einem CO₂-Ausstoß von 50.000 Gramm.

Um das Konzept des CO₂-Schattenpreis-Modells anhand eines weiteren konkreten Beispiels zu verdeutlichen: Stellt euch vor, es gibt ein Projekt zum Bau einer Brücke auf einer viel befahrenen Autobahn. Durch die Reduzierung der Fahrspuren von drei auf eine entsteht ein Stau. Dieser Stau führt zu einer erhöhten Standzeit von Lastwagen und Autos, was wiederum einen bestimmten CO₂-Ausstoßverursacht. 

In diesem Kontext würde das CO₂-Schattenpreis-Modell den zusätzlichen CO₂-Ausstoß, der durch diesen Stau entsteht, finanziell bewerten. Wenn ein Unternehmen ein Angebot für dieses Brückenbauprojekt abgibt und eine Methode oder Technikvorschlägt, die den Stau und damit den CO₂-Ausstoß reduziert – beispielsweisedurch den Einsatz modularen oder industriellen Brückenbaus – könnte dieses Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Das Unternehmen würde in seiner Angebotserstellung dann berücksichtigen, dass es weniger CO₂ produziert und somit einen positiven Beitrag zum Klimaschutzleistet. Dies könnte sich wiederum positiv auf die Bewertung und Vergabe des Projekts auswirken. Kurz gesagt, durch den Einsatz effizienterer Bautechniken und -verfahren, die den CO₂-Ausstoß reduzieren, können Unternehmen im Wettbewerb Vorteile erzielen und zur Minderung der Umweltauswirkungen beitragen.

Praktische Anwendung und Vorteile

Ein wesentlicher Vorteil des CO₂-Schattenpreis-Modells liegt in seiner Anwendbarkeit und Flexibilität. Unternehmen können mithilfe von branchenüblichen Tools und Methoden, wie Excel-Tabellen, den CO₂-Anteil ihrer Baustoffe und Prozesse präzise berechnen. Dies ermöglicht es ihnen, gezielte Maßnahmen zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks zu entwickeln und umzusetzen. Darüber hinaus fördert das Modell die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Bauprozesse, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch vorteilhaft sind.

Auswirkungen auf die Bauindustrie und zukünftige Entwicklungen

Die Einführung des CO₂-Schattenpreis-Modells hat das Potenzial, die Bauindustriegrundlegend zu transformieren. Es fordert Unternehmen jeder Größe dazu auf, ihre Bauprojekte unter dem Gesichtspunkt der Klimaverträglichkeit zu betrachten und innovative Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig stellt es eine Gelegenheit für öffentliche Auftraggeber:innen dar, durch die Integration von Klimakriterien in Ausschreibungsverfahren einen Beitrag zur Förderung nachhaltiger Baupraktiken zu leisten. In Zukunft wird erwartet, dass sich das CO₂-Schattenpreis-Modell weiterentwickelt und an die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Bauindustrie angepasst wird, um einen langfristigen und nachhaltigen Wandel zu ermöglichen.

Zum 1. Juni 2023 hat Baden-Württemberg mit dem Klimaschutzgesetz (KlimaG BW) den ersten verpflichtenden CO₂-Schattenpreis auf Landesebene eingeführt, der bei Bauprojekten berücksichtigt werden muss. Bereits seit 2022 gilt dieser Schattenpreis für Bundesbeschaffungen gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Förderung klimafreundlicher Dienstleistungen(AVV-Klima).

Herausforderungen und Chancen für die Bauindustrie

Die Einführung des CO₂-Schattenpreis-Modells bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Bauindustrie.

Der Übergang zum CO₂-Schattenpreis-Modell stellt besonders für kleine Bauunternehmen eine Herausforderung dar. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben oft nicht die Ressourcen oder das Know-how, um mit den komplexen Anforderungen dieses Modells umzugehen. Die Bürokratie und Regulierung können zusätzliche Hürden schaffen, obwohl die Unternehmen den Klimaschutz als wichtig erkennen. Öffentliche Auftraggeber:innen könnten durch die Integration von CO₂-Kriterien in Ausschreibungen Anreize für umweltfreundliche Lösungen setzen. Dies kann jedoch für kleinere Unternehmen problematisch sein, da sie möglicherweise nicht wettbewerbsfähig bleiben können. Dennoch ist ein Wandel in Richtung Nachhaltigkeit unvermeidlich.

Es ist von zentraler Bedeutung, unterstützende Strukturen und Maßnahmen zu etablieren, die kleinen Unternehmen ermöglichen, diese Herausforderungen zu überwinden, ohne ihre Wettbewerbsposition zu schwächen.

Kernkonzepte des CO₂-Schattenpreis-Modells 

Zum Thema “Bürokratie” versucht das Kernkonzept einen positiven Beitrag zu leisten, in dem das CO₂-Schattenpreis-Modell folglich unbürokratisch sein soll. Das CO₂-Schattenpreis-Modell gründet sich insgesamt auf drei klare Prinzipien: unbürokratisch, transparent und fair.

Fazit

Die Baubranche steht an einem entscheidenden Scheideweg, der von den Prinzipien der Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit geprägt ist. Während "Klimaneutralität" ein erstrebenswertes Endziel darstellt, hebt sich "Klimaverträglichkeit" als aktiver und proaktiver Ansatz hervor, der die Branche in Richtung einer ökologisch verantwortungsvollen Zukunft lenkt. Das CO₂-Schattenpreis-Modell des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie in Zusammenarbeit mit KPMG Law markiert einen bedeutenden Meilenstein in dieser Entwicklung. Es bietet eine transformative Methode zur Bewertung und Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks von Bauprojekten, die sowohl für Unternehmen als auch für öffentliche Auftraggeber:innen von Vorteil ist.

Die praktische Anwendbarkeit und Flexibilität des CO₂-Schattenpreis-Modells ermöglichen es Unternehmen, ihre ökologischen Auswirkungen zu quantifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu ergreifen. Gleichzeitig erfordert die Implementierung dieses Modells eine gemeinsame Anstrengung von Unternehmen, öffentlichen Institutionen und anderen Stakeholdern, um die notwendige Infrastruktur und Unterstützung bereitzustellen. 

Trotz der damit verbundenen Herausforderungen bietet das CO₂-Schattenpreis-Modell der Bauindustrie die Möglichkeit, innovative und nachhaltige Praktiken zu fördern und eine Kultur der Klimaverträglichkeit zu etablieren. Die Branche steht vor der Aufgabe, diese Chance zu nutzen und gemeinsam einen Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele zu leisten. Insgesamt stellt das CO₂-Schattenpreis-Modell einen wichtigen Schritt dar, um die Bauindustrie in eine nachhaltige und zukunftsfähige Richtung zu lenken, die den ökologischen und ökonomischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.

Wenn euch weitere Insights zum CO₂-Schattenpreis-Modell interessieren, schaut in die aktuelle Podcastfolge mit Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie herein:

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