Berlin im Wandel: Wie das Regierungsviertel fit für die Zukunft gemacht wird

Das Berliner Regierungsviertel – hier werden Gesetze beschlossen, Politik gemacht und die Zukunft Deutschlands gestaltet. Doch wer heute durch das Viertel rund um den Reichstag spaziert, trifft vielerorts auf Bauzäune, Kräne und Absperrungen. Der Grund: Das Regierungsviertel wird umfassend umgebaut. Zwei der größten Projekte stehen dabei besonders im Fokus – der sogenannte „Aha-Graben“ vor dem Reichstag und der Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts.

In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf diese beiden Großprojekte – und die Debatten, die sie auslösen.

Der Reichstag: Symbol der Demokratie im Wandel

Kaum ein Gebäude in Deutschland hat eine so starke Symbolkraft wie der Reichstag. Der Bau von 1884 bis 1894 hat zwei Weltkriege überstanden, wurde stark beschädigt und später wieder aufgebaut. Die ikonische gläserne Kuppel – ein Werk von Stararchitekt Sir Norman Foster – wurde 1999 fertiggestellt und steht heute für Transparenz und Offenheit in der Politik. Seit 1990 ist das Gebäude Sitz des Deutschen Bundestags.

Doch wie schützt man ein solch bedeutendes Gebäude in einer zunehmend angespannten Weltlage, ohne seine einladende Wirkung zu verlieren?

Sicherheitskonzept mit Stil: Der Aha-Graben

Spätestens seit der versuchten Stürmung des Reichstags am 29. August 2020, bei der rund 400 Menschen während einer Corona-Demo auf die Reichstagstreppen stürmten, ist klar: Auch demokratische Herzkammern brauchen Schutz. Die bisher provisorischen Absperrungen rund um das Reichstagsgebäude sollen durch ein dauerhaftes und gleichzeitig ästhetisches Sicherheitskonzept ersetzt werden.

Das Herzstück dieser Maßnahmen: der sogenannte Aha-Graben. Ursprünglich ein Gestaltungselement aus der englischen Landschaftsarchitektur (auch „Ha-Ha“ genannt), dient er dazu, eine physische Barriere zu schaffen – ohne Sichtachsen zu unterbrechen.

Die Eckdaten des Grabens:

  • Tiefe: 2,5 Meter
  • Breite: bis zu 10 Meter
  • Länge: 130 Meter entlang der Westseite des Reichstags
  • Ergänzt durch zwei 55 Meter lange, 2,5 Meter hohe Metallzäune an den Seiten

Ziel ist es, Schutz zu bieten, ohne das offene Erscheinungsbild des Platzes zu zerstören. Landschaftsarchitekten sorgen mit Begrünung für eine harmonische Einbettung in die Umgebung.

Kritik bleibt nicht aus:
Einige Abgeordnete warnen vor einer „Symbolik der Abschottung“. Die Entscheidung für eine unterirdische Lösung statt einer Mauer – angesichts Berlins Geschichte ein sensibles Thema – zeigt jedoch den Versuch, Sicherheit und Offenheit zu vereinen.

Mehr als ein Graben: Besucherzentrum & neue Infrastruktur

Neben dem Sicherheitsgraben entstehen:

  • Ein neues Besucher- und Informationszentrum an der Scheidemannstraße
  • Ein unterirdischer Tunnel vom Zentrum direkt zum Reichstagsgebäude
  • Neue Sicherheitsschleusen und Fahrzeugbarrieren
  • Eine neue Kältezentrale zur Versorgung des Bundestags

Auch der wenig ansehnliche Eingangsbereich mit Containern soll verschwinden. Künftig sollen Besucher das Parlament über ein modernes und einladendes Zentrum betreten.

Die Arbeiten erfolgen in mehreren Abschnitten – möglichst lärmfrei während der Sitzungswochen. Die Fertigstellung ist für 2028 geplant, der erste Spatenstich erfolgte im Frühjahr 2024.

Ortswechsel: Erweiterung des Bundeskanzleramts

Auch das Bundeskanzleramt wird vergrößert. Die Reaktionen darauf? Gemischt. Denn schon heute gilt das Kanzleramt als das zweitgrößte Regierungshauptquartier der Welt – direkt nach China.

Warum also noch größer?

Die Zahl der Mitarbeitenden ist in den letzten Jahren von rund 400 auf 750 Personen gestiegen. Viele sitzen derzeit in ausgelagerten Büros quer über Berlin verteilt – wenig effizient.

Ziele des Erweiterungsbaus:

  • 400 neue Büros
  • Neue Kantine und Kita
  • Zweiter Hubschrauberlandeplatz
  • Neue Kanzlerwohnung
  • Brücke zwischen Neu- und Altbau
  • Architektur im Stil des bestehenden Amtes: viel Glas, klare Linien, helle Räume

Fertigstellung ebenfalls geplant für 2028. Die Entwürfe stammen – wie schon beim aktuellen Amt – von Axel Schultes und Charlotte Frank.

Ein falsches Signal zur falschen Zeit?

Die Kosten sind hoch. Statt der ursprünglich geplanten 600 Millionen Euro sind es mittlerweile 777 Millionen Euro. Und das in Zeiten von Haushaltslöchern, Sparzwang und Inflation. Kritiker fragen sich: Braucht es diesen Bau wirklich – oder wäre mehr Digitalisierung und Homeoffice die bessere Lösung?

Die Bundesregierung verweist auf langfristige Einsparungen: Mietkosten für ausgelagerte Büros entfallen, und die zentrale Organisation erhöht die Effizienz.

Symbolischer Fortschritt oder unnötiger Luxus?

Ob Graben oder Kanzleramt-Erweiterung – beide Projekte spiegeln die Herausforderungen wider, vor denen moderne Demokratien stehen: Sicherheit, Effizienz und Transparenz sollen miteinander in Einklang gebracht werden.

Trotz berechtigter Kritik ist klar: Die deutsche Politiklandschaft verändert sich nicht nur inhaltlich, sondern auch baulich. Ob sich die Investitionen langfristig lohnen – darüber entscheidet auch die öffentliche Wahrnehmung.

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