Warum wachsen deutsche Wolkenkratzer langsamer?
January 11, 2024
Metropolen auf der ganzen Welt haben eine Herausforderung gemeinsam. Sie haben nicht genügend Platz, um in die Breite zu wachsen, damit mehr Menschen dort arbeiten und wohnen können. Daher muss immer öfter in die Höhe gebaut werden. Städte wie Dubai mit dem Burj Khalifa oder New York sind bekannte Beispiele. Berlin hinkt im internationalen Vergleich, was Wolkenkratzer angeht, ziemlich hinterher.
Während in anderen Metropolen die Skylines von Wolkenkratzern dominiert werden, sind bei uns die Häuser immer noch vergleichsweise niedrig und Hochhäuser eher eine Seltenheit – mit Ausnahme von Frankfurt natürlich.
Berlin verfügt über viel Wasser und dadurch auch durch extrem morastigen Boden. Dieser hat schon das ein oder andere Problem bei anderen Bauvorhaben ausgelöst. Das aktuellste Beispiel ist wohl die Sperrung eines gesamten U-Bahn-Tunnels am Alexanderplatz, der aufgrund mehrerer Baustellen an Oberfläche Risse in der Tunnelwand zur Folge hatte.“
Historisch gesehen gibt es in deutschen Städten, insbesondere in Berlin, zusätzlich eine Vorliebe für eine niedrige Bebauung. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg galt diese als ein Ausdruck von Offenheit und Freiheit. Auch die Angst vor Beeinträchtigung historischer Gebäude, sowie Bedenken hinsichtlich des Stadtbildes und der Schattenwirkung haben dazu geführt, dass Berliner Bauprojekte bisher nicht die Höhen anderer internationaler Städte erreichten.
Werfen wir mal einen Blick auf die höchsten Gebäude Berlins. Schon in den 60er Jahren wurden der Steglitzer Kreisel mit einer Höhe von 120 Metern und das ParkInn am Alexanderplatz mit einer Höhe von 125 Metern gebaut. Dann folgten in den 90er Jahren die Treptow Twin Towers am Spreeufer und der Atrium Tower in der Nähe des Potsdamer Platzes.
Im Vergleich dazu: Das höchste Gebäude der Welt - das Burj Khalifa- steht aktuell in Dubai, ist unglaubliche 828 Meter hoch und beherbergt 163 nutzbare Etagen. Das höchste Gebäude Amerikas steht in New York City. Das 2014 fertiggestellte One World Trade Center ist 542 Meter hoch. In Europa steht der höchste Wolkenkratzer – das Lachta Zentrum - in Russland mit rund 462 Meter Höhe. Das höchste Gebäude Berlins – wenn auch kein Wolkenkratzer – ist der Fernsehturm mit rund 368 Metern.
Mit der zunehmend dichten urbanen Entwicklung in Deutschland hat nun auch Berlin begonnen, Gebäude größerer Dimension zu akzeptieren und zu integrieren.
Am und um den Alexanderplatz sind gerade vier weitere Hochhäuser zwischen 130 und 150 Metern geplant bzw. bereits im Bau.
Aufgrund geopolitischer und wirtschaftlicher Entwicklungen sind jedoch sowohl das Projekt des Kaufhofturms der Signa Gruppe, als auch das Hochhausprojekt der Hines Gruppe sowie der Bau des Alexander Towers ins Stocken geraten.
Der Estrel Tower wird also so oder so für die nächsten Jahre das höchste Gebäude und der erste wirkliche Wolkenkratzer Berlins sein. Denn wusstet ihr, dass ein Gebäude erst ab einer Höhe von 150 Metern als Wolkenkratzer definiert werden darf?! Werfen wir also mal einen Blick auf dieses gigantische Projekt.
Das Estrel Hotel ist mit rund 2.000 verfügbaren Betten aktuell das größte Hotel Europas und steht im Stadtteil Neukölln, es gehört der Familie Streletzki und wird von dieser auch betrieben.
Ekkehard Streletzki ist ein ehemaliger Bauingenieur, Statiker und war Firmeninhaber eines Unternehmens, das sich auf die Zerlegung von Beton mittels Diamantsägen und -bohrern spezialisiert hatte. 1994 eröffnete er das Hotel vor dem Hintergrund der immer steigenden Hotelpreise in Berlin. Das Estrel ist nicht nur das größte Hotel Deutschlands, sondern auch das wirtschaftlich erfolgreichste Hotel, weil dort schon mit einer Zimmerauslastung von nur 35 Prozent Geld verdient wird. Trotzdem wollte Streletzki mehr. Und so entwickelte er vor einigen Jahren einen Gedanken, der ihn nicht mehr losließ: Er wollte nicht nur das größte Hotel, sondern auch noch das höchste Gebäude Berlins errichten: den Estrel Tower.
Der Estrel Tower soll 176 Meter, das sind 45 Stockwerke, hoch werden und unterschiedliche Nutzungen beherbergen.
In dem Gebäude befindet sich natürlich in erster Linie die Erweiterung des Estrel Hotels, welches sich auf der anderen Seite der Sonnenallee befindet. Um genau zu sein entstehen hier 552 Zimmer und Suiten und 90 Serviced Appartments. Die beiden Gebäude sind durch einen Tunnel verbunden. Eine ganze Etage wird mit einem Fitness- und Wellnessbereich ausgestattet. Dazu kommen 9.000 qm Bürofläche für Co Working Spaces und Offices. Das Highlight bilden rund 3.000 qm Veranstaltungsfläche in den obersten 3 Etagen plus die öffentlich zugängliche Skybar + Dachterrasse.
Diese Flächen bieten wohl einen der besten Blicke über Berlin.
Als weiteres Highlight ist ein begrüntes Atrium im Erdgeschoss des Gebäudes geplant, welches auch die Öffentlichkeit und die Berliner zum Verweilen einladen soll. Hier werden ein Start Up Inkubator, eine Kunst Galerie, ein Cafe und eine Bäckerei untergebracht.
Der Entwurf für den Estrel Tower stammt vom deutsch-amerikanischen Architekturbüros Barkow Leibinger und wurde ganze 10 Jahre geplant. Der Rohbau steht nun, bereits zu ca. 50 %, die Eröffnung ist für 2025 geplant.
Im Juli 2021 wurde mit dem Tiefbau begonnen. Wie schon gesagt, ist der Boden in Berlin unberechenbar. Damit man später keine böse Überraschung erlebt, ist eine statisch wirksame Gründung essenziell. Man hat hier eine sogenannte kombinierte Pfahl-Plattengründung eingesetzt. Über 50 Betonpfähle mit 1,8 Meter Durchmesser mussten 20 Meter tief in den Boden getrieben werden. Hierauf wurde dann eine Bodenplatte von 3,60 Meter Dicke gegossen, um das Gewicht des Towers zu tragen. Dafür hat man insgesamt 800 LKW-Ladungen Beton verbaut. Fast alle Betonlieferanten Berlins waren an dem Projekt beteiligt. Zusätzlich deckt eine eigene Betonmischanlage auf dem Gelände den Regelbetrieb ab. In der Tiefgarage entstehen Stellflächen für Autos aber auch eine große Fahrrad Parkgarage wurde berücksichtigt.“
Insgesamt befindet sich das Hotel an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt Berlins mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, den neuen Berliner Flughafen und die Autobahn. Künftig soll hier außerdem eine Radschnellverbindung gebaut werden.
Zusätzlich zu dem Estrel Tower entsteht am Ufer des angrenzenden Neuköllner Schifffahrtskanals ein neuer Park inklusive Recreation Area. Mit den DOXS NKLN soll sich bis 2026 rund um den Kanal ein richtiges Hafenviertel mit Büros, Restaurants und Ateliers entwickeln.
Der Nachhaltigkeitsaspekt spielt laut Familie Streletzki eine große Rolle bei dem Projekt.
Da sich auf dem Grundstück des Estrel Towers früher ein Parkplatz befand, wird durch den Bau des Gebäudes und des Parks mehr Fläche entsiegelt, als es früher der Fall war. Dies führt dazu, dass mehr Wasser natürlich versickern kann.
Aber auch andere Aspekte der Nachhaltigkeit wurden bei dem Projekt bedacht.
So werden im 43 und 44 Stockwerk einige Private Dining Rooms und ein Farm-to-Table Restaurant entstehen. Dafür haben die Estrel Besitzer extra einen Bauernhof in Brandenburg gekauft, welcher regionale Lebensmittel für das Restaurant liefert.
Die RWTH Aachen und E.ON Business Solutions entwickelten im Rahmen eines Forschungsprojektes ein innovatives CO2-sparendes Energiekonzept, bei dem Wasserstoff als Energiespeicher zum Einsatz kommt.
Eine Photovoltaikanlage sorgt für einen Teil der Energieversorgung und begrünte Dächer und Wildblumenwiesen auf dem Parkgelände leisten einen Beitrag zur Biodiversität. Für den Innenausbau werden regionale Hölzer und recycelte Materialien verwendet und das Bauwerk selbst strebt die Zertifizierung mit LEED® Platin (Leadership in Energy and Environmental Design) an.
Insgesamt sind an dem Projekt rund 25 Gewerke beteiligt. Das Gesamtprojekt verschlingt ein Investitionsvolumen von 260 Millionen Euro ohne Grundstück. Besonders faszinierend ist, dass hier wohl vieles nach Plan läuft und man derzeit sogar vor dem Bauzeitenplan liegt.
Wie wir in Zukunft in Städten leben, wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. In unserer Hauptstadt, aber auch in anderen Städten entstehen derzeit weitere beeindruckende Hochhäuser, so zum Beispiel der Elb-Tower in Hamburg oder der Millennium-Tower in Frankfurt. Der Estrel Tower wird mit seiner überragenden Größe in Zukunft ein neues Symbol der Berliner Skyline – so viel steht fest.