May 21, 2025
Schon beim Betreten der riesigen Halle spürt man: Hier entsteht nicht einfach eine Wand oder eine Decke. Hier wird eine Idee Wirklichkeit – die Idee, Bauen ganz neu zu denken. Weg von improvisierten Baustellen, hin zu präziser Vorfertigung. Modular, nachhaltig, effizient. Was hier im westfälischen Heiden entsteht, ist vielleicht nicht weniger als die Zukunft des Bauens.
Dass in Deutschland gebaut wird – langsam, teuer und oft später als geplant – ist längst kein Geheimnis mehr. Große Projekte ziehen sich über Jahre, auf fast jeder Baustelle fehlt es an Fachkräften, Materialien oder schlicht gutem Wetter. Und währenddessen fehlen laut Schätzungen zwischen 550.000 und 800.000 Wohnungen. Gleichzeitig trägt die Bauindustrie über 8 % zu den weltweiten CO₂-Emissionen bei.
Die Frage drängt sich auf: Geht das nicht besser?
In Heiden, Nordrhein-Westfalen, steht eine moderne Produktionshalle mit einer der größten Umlaufanlagen Europas. Dort werden industriell zukunftsweisende Bauteile gefertigt: Holz-Beton-Verbunddecken (HBV-Decken). Das Familienunternehmen Brüninghoff kombiniert dabei die Vorteile von Holz und Beton zu einem hybriden Bauelement, das nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch überzeugt. Die Produktionshalle hat das Brüninghoff vollständig mit dem eigenen System realisiert – eine Blaupause für das, was möglich ist.
Jan Wenker, Group Director für Sustainability & Innovation bei Brüninghoff zeigte uns, wie in der Halle die sogenannten Holz-Beton-Verbunddecken, kurz HBV-Decken entstehen.
„Wir setzen oben Beton und Holz unten ein. Eine Decke ist ein biegebeanspruchtes Bauteil. Das heißt, wir haben oben Druck und unten Zug. Der Beton ist super gut im Aushalten von Druckspannungen, sehr schlecht aber bei Zugspannungen. Deswegen haben wir seit über 100 Jahren den Verbungwerkstoff Stahlbeton. Bei Holz ist genau andersrum. Holz ist entlang der Faser - wie der Baum gewachsen ist - unglaublich zugfest, bezogen auf sein geringes Gewicht. Deswegen haben wir im Prinzip Holz und Beton da eingesetzt, wo es Sinn ergibt: Holz da wo Zug auftritt und Beton da wo Druck entsteht."
Das Besondere: Die beiden Schichten werden nicht verklebt, sondern reversibel miteinander verbunden – trennbar, wiederverwendbar, vollständig recyclingfähig. Das macht das System nicht nur effizient, sondern auch zukunftssicher.
Statt Wochen auf einer Baustelle zu verbringen, werden die Decken hier millimetergenau vorgefertigt – inklusive aller Leitungen und technischer Einbauten. Auf der Baustelle selbst müssen sie dann nur noch montiert werden. Das spart enorm viel Zeit und vermeidet böse Überraschungen“, sagt Jan. „Und auch wenn industrielles Bauen nicht immer günstiger ist – es ist planbarer, präziser und nachhaltiger.
Ein konkretes Beispiel: Der Neubau des Produktions- und Bürostandorts der Firma Sesotec in Niederbayern. In nur wenigen Monaten entstanden über 15.000 m² Nutzfläche – auf schwierigem Gelände, in Hybridbauweise, mit durchdachtem Energiekonzept. Möglich wurde das nur durch industrielle Vorfertigung und den Einsatz der HBV-Decken. Pro Element spart man damit im Schnitt rund 30 % CO₂ im Vergleich zu herkömmlichen Betondecken. Gleichzeitig verkürzt sich die Bauzeit deutlich – und der Bedarf an Fachkräften sinkt.
Frank Steffens erklärt, was dem industriellen Bauen noch im Weg steht. Die Antwort ist so klar wie nachvollziehbar:
„Planen und Bauen muss gemeinsam gedacht und nicht voneinander entkoppelt werden."
Außerdem ist es für viele Mittelständler schwierig, in das Thema einzusteigen. Man muss zu Beginn in Vorleistung gehen – mit Fläche, Technik, Planung und Geld. Das ist für viele mittelständische Unternehmen ein Risiko. Und dann kommt noch die Regulierung dazu. Noch bremst der Gesetzgeber oft mehr, als er hilft. Hinzu kommt: Viele Anbieter setzen ausschließlich auf Wohnungsbau. Wer aber nur eine Assetklasse bedient, steht in konjunkturell schwachen Phasen schnell unter Druck. Brüninghoff dagegen denkt breiter – und langfristiger.
Trotz aller Technik, trotz präziser Maschinen und durchgetakteter Prozesse: Bei Brüninghoff arbeiten keine Roboter – zumindest noch nicht. „Unsere Mitarbeiter sind echte Experten“, sagt Frank. „Sie verstehen die Materialien, sie wissen, worauf es ankommt. Und sie haben ein Gefühl für Qualität, das keine Maschine ersetzen kann.“ Zudem seien die Anforderungen noch zu individuell.
Dennoch ist klar: Der nächste Schritt wird kommen. Vollautomatisierte Prozesse, Robotik, KI – all das ist keine Science-Fiction mehr, sondern Teil der kommenden Bau-Realität.
Die industrielle Vorfertigung von HBV-Decken durch Brüninghoff zeigt, wie nachhaltiges, effizientes und zukunftsorientiertes Bauen aussehen kann. Durch die Kombination von Holz und Beton, die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten und die Nutzung modernster Fertigungstechnologien setzt das Unternehmen neue Maßstäbe im Hochbau.
In einer Zeit, in der der Bedarf an Wohnraum steigt und Ressourcen knapp werden, bietet dieses Baukonzept eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der Bauindustrie. Denn eines ist sicher: Wir werden mehr Menschen unterbringen müssen – mit immer weniger Ressourcen. Wir brauchen Tempo, Mut, Innovation – und vor allem: Menschen, die es machen.
Dann abonniere einfach den DIGITALWERK Newsletter – und sei anderen immer einen Schritt voraus!