Vom Forschungsprojekt zum klimaneutralen Disrupteur der Gebäudetechnik

Dr. Johannes Fütterer (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn

Dr. Johannes Fütterer (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn

Wie Dr. Johannes Fütterer von seiner Promotion in der Gebäudesystemtechnik zur Gründung von Aedifion gekommen ist und damit zur Dekarbonisierung von Gebäuden beiträgt.

Dr. Johannes Fütterer ist CEO und Co-Founder von Aedifion. Auf dem Weg zu dieser Position hat er an der RWTH Aachen in der Gebäudesystemtechnik promoviert. Durch verschiedene Stationen in verschiedenen Städten Deutschlands hat er sich in 2015 in einem universitären Forschungsprojekt mit der Bewertung und Regelung von Energiesystemen in Gebäuden, insbesondere mit der Problematik der ineffizienten Funktionsweise von Gebäuden auseinandergesetzt. Ihm ist bereits damals aufgefallen, dass die Auslegung von Gebäudesystemen häufig überdimensioniert und die Gebäudetechnik nicht optimiert wird, nachdem diese in Betrieb genommen wurde. Oft liegt die Ineffizienz im Hinblick auf CO2-Emissionen, Energieverbrauch, Raumluftqualität und thermischer Komfort mindestens 20 Prozent unter dem möglichen Effizienzniveau. Bei einer fortschrittlichen Regelung mit Technologien wie künstlicher Intelligenz kann der Betrieb von Gebäuden sogar bis zu 40 Prozent energieeffizienter gestaltet werden. 

Bereits als Johannes sich in 2009 mit der Bewertung von Wärmepumpen auseinandergesetzt hat, lernte er, dass Gebäude als dynamisches Konstrukt nur die Hälfte der versprochenen Leistungen erfüllen. Zwar sind die Werte heutzutage deutlich besser, aber das Kernproblem wurde bis heute nicht gelöst. Noch heute funktioniert die Gebäudeautomation in proprietären Modellen, da der Käufer eines Gebäudes bei einem Hersteller meistens auch an den Service dieses Hersteller gebunden ist. Dadurch war der Innovationsdruck sehr gering. 

“Damals war es so, dass die etablierten Player der Gebäudeautomationsbranche relativ wenig Interesse an Innovation hatten. Wir wollten jedoch einen Impact generieren und die logische Schlussfolgerung war, es selbst zu versuchen.”

Der Vorteil für Johannes war, dass universitäre Ausgründungen in Deutschland sehr gute Forschungsförderungen erhalten, die er zur Verfügung hatte. Dadurch bestand kein Hindernis und aus einer Idee im Rahmen seines Forschungsprojekts entstand die Idee zur Gründung seiner eigenen Unternehmung. Im September 2017 hat Johannes in Köln Aedifion gegründet und beschäftigt heute 45 Mitarbeiter, die verschiedene Kundengruppen von institutionellen Asset Managern über Facility Manager bis hin zu Planern und Beratern bedienen. Es wird sich stetig mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Gebäudebetrieb aussieht und wie das technologische Setup im Smart Building Bereich aufgestellt ist. 

“Mein Ziel war es, den Status Quo der Gebäudeautomation zu verändern. Jetzt kriegen wir von der Branche zurückgemeldet, dass wir sich ein bisschen ärgern, was mich echt freut.”

Denn wenn die Marktteilnehmer sich durch Aedifion angegriffen fühlen und sich über die disruptive Lösung ärgern, bedeutet dies, dass Johannes seinen Beitrag zur Veränderung der Branche bereits heute erreicht hat. Mit Aedifion gibt er sogar bereits standardisierte Vorgaben zur Planung von Gebäudeautomationssystemen vor, damit diese nicht proprietär, sondern öffentlich zugänglich sind. Durch den öffentlichen Zugang an die Daten eines Gebäudes kann der Betrieb deutlich verbessert werden. Solch ein Vorhaben bindet nicht nur viele Ressourcen, sondern erfordert auch die notwendige Förderung durch Investments. Insgesamt sind ca. €5 Millionen Venture Capital Investments sowie knapp €3 Millionen öffentliche Gelder in Aedifion geflossen. Das initiale Geld zur Ausgründung und zum Transfer des Wissens und der Patente aus der Universität RWTH Aachen in das Unternehmen wurde durch das EXIST Forschungszuschuss von €1 Millionen bereitgestellt und hat die Übersetzung in ein marktfähiges Produkt ermöglicht. 

Welche Rolle spielt ESG für Aedifion? 

ESG ist ein aus der EU-Taxonomie abgeleitetes Regelwerk, um Investments auf Basis ihrer Nachhaltigkeit zu beurteilen. Mit nachhaltigen Anlageprodukten kann man hierdurch am Kapitalmarkt einen Aufschlag erzielen, der das Thema für viele Personen interessant macht und eine große Aufmerksamkeit erlangt. Johannes erzählt im DIGITALWERK Podcast, dass sich viele Personen genau aus diesem Grund die Labels zu eigen machen wollen und ihre Produkte mit einem Nachhaltigkeitslabel zertifizieren lassen. Für Aedifion sind die ESG-Richtlinien einerseits sehr wichtig, da durch die Steigerung der Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit eine höhere Bereitschaft zur Nutzung nachhaltiger Produkte und Leistungen generiert wurde. Andererseits verrät Johannes, dass ihn das Thema fast ein bisschen nervt, da es keine globalen Fahrpläne zur Umsetzung der ESG-Richtlinien gibt und noch viele Schritte erfolgen müssen bevor man anfängt, direkt CO2-Emissionen zu sparen. Die direkte Eigeninitiative wird nur wenig ergriffen. 

“Der Kern des Problems ist, dass aktuell eher der Status Quo erhoben wird, doch keiner weiß so richtig wie die Umsetzung von ESG geht. Es wird alles sehr unkonkret besprochen und es muss noch viel Ordnung im Markt entstehen.”

Die Vorgehensweise zur Umsetzung von ESG ist insbesondere bei den großen Asset Managern mit diversen Portfolios aus verschiedensten Assetklassen mit heterogener Gebäudetechnik ein enorm bürokratischer und langsamer Prozess. Die Geschwindigkeit zur Umsetzung fehlt derzeit noch im Markt und verhindert damit eine schnelle und effiziente Veränderung der Kernproblematik. Meistens verwalten große Kapitalverwaltungsgesellschaften Immobilienportfolios mit Treuhandgeldern. Die organisatorische Aufstellung von Asset Managern mit einzelnen Verwaltern für jeden Bereich und die mangelnde technische Fachexpertise ohne den Hintergrund eines Bauingenieurs oder Gebäudetechnikers führen dazu, dass sich bei Anlegerentscheidungen auf ordnungsgebende Instanzen berufen wird. So arbeiten beispielsweise der Head of Sustainability Asset Manager und der Head of Product meist nicht zusammen und Abstimmungen erschweren den Prozess der Asset Aufwertung. Es gibt zwar auch Institutionen, die ihre Organisationsstruktur deutlich besser aufgestellt haben und Themen wie Asset Management und Nachhaltigkeitsmanagement zusammenbringen, doch die wirklich großen Asset Manager sind derzeit flächendeckend noch klassisch und konservativ strukturiert. 

“Wenn wir wirklich an den Planeten denken, müssen wir jetzt schnell etwas tun. Die fehlende Marktgeschwindigkeit führt jedoch dazu, dass trotz unserer fortschrittlichen Technologie die Marktdurchdringung noch extrem klein ist. Es ist ein absoluter Marathon.”

Mit seinem derzeitigen Kundenstamm von über 60 großen Asset Managern mit enorm großen Portfolios kann sich Johannes zwar nicht beklagen, doch sein Antrieb die Welt nachhaltiger und besser zu gestalten ist groß. Ein Kunde kann dabei über ein Portfolio an über €50 Milliarden verwalten und bietet somit ein enorm großes Potential mit reisigen und vielen Projekten für Aedifion. Auch ein Facility Manager kann bereits im Schnitt ca. 40.000 Assets under Management verwalten. Um sich mit der aktuellen Geschwindigkeit abzufinden, hat er angefangen die Langsamkeit seiner Kunden zu lieben und unterstützt jeden, der bereit ist, Prozesse und Veränderungen schnell umzusetzen. Johannes unterstützt den Markt darüber hinaus mit mehreren Initiativen, die die Annahme der nachhaltigen Gebäudeautomation und Regelung erleichtert und beschleunigt. 

Ist bei der ESG-Umsetzung bereits der Anstoß schwerfällig oder wird ein gleichbleibendes langsames Tempo an den Tag gelegt? 

Johannes berichtet im DIGITALWERK Podcast, dass der Anfang der Umsetzung durch die ESG-Richtlinien und das vorhandene Interesse zur Nachhaltigkeit sehr schnell geht. ESG ist als Thema omnipräsent und erleichtert die Bereitschaft einen ersten Piloten mit Aedifion durchzuführen, bei dem nachgewiesen werden kann, dass Gebäude durch die fortschrittliche Regelung effizienter und nachhaltiger funktionieren. Über die Pilotprojekte in die Tiefe hinauszugehen ist jedoch die große Herausforderung. Daher ist der Ansatz bei Aedifion nicht mehr nur noch in die Tiefe zu gehen, sondern in die breite Masse im Markt. 

“Bis Mitte 2022 haben wir noch über Betriebskosten Einsparungen verkauft, weil CO2 niemanden interessiert hat. Heute sagen wir, wir können CO2 einsparen und alle finden es direkt spannend. Die Umlegung der Betriebskosten auf die Mieter ist jetzt nur noch der Nachsatz."

Dekarbonisierung ist ein wichtiges Thema im Bereich der Gebäudeeffizienz. Bei Aedifion ist die Frage, wie CO2 aus den Gebäuden herausbekommen werden kann und wie dadurch CO2-neutral werden elementar. Es gibt verschiedenste Ansätze zur Dekarbonisierung von Gebäuden durch Kompensation, den Kauf von erneuerbaren Energien, grünen Strom und den langfristigen Verzicht auf Gas, denn Gas wird zeitnah nicht CO2-neutral werden. Auch die Kompensation von CO2 ist mit den dafür notwendigen Baumaßnahmen enorm kostenintensiv. Johannes sagt daher, dass es umso wichtiger ist, an der Energieeffizienz von Gebäuden zu arbeiten. Wenn alle Betriebsdaten über eine Immobilie bereitgestellt werden, können anhand dieser Daten geeignete Maßnahmen zur Dekarbonisierung definiert werden. Fläche ist ein knappes Gut, welches soziale Verantwortung mit sich bringt und in seiner Vision wird es in Zukunft Scheckheft geführte Gebäude geben, die ein kontrolliertes ESG-Reporting bedingen. 

Wie sieht der Wettbewerb in diesem Markt aus? 

Es gibt im Bereich der fortschrittlichen Regelung von Gebäuden sehr viel Wettbewerb, was Johannes freut. Themen wie aktives Energiemanagement, das Erlernen von Gebäudeverhalten, thermischer Kapazität und der Nutzung von Gebäuden, um Nutzerprofile abzubilden sowie die Verwendung von Wettervorhersagen, um optimierte Regelungsentscheidungen zu treffen, werden aktiv von Wettbewerbern angegangen. Künstliche Intelligenz spielt bei diesen Lösungen im Markt eine wichtige Rolle. Der Wettbewerb zeigt, dass diese Technologien funktionieren und die Lösungen stärker eingesetzt werden. 

“Wir haben noch so viel vor. Und wir wollen diese Technologien ganz breit im Markt sehen, weil die Technologie wirklich gut ist und die in jedem Asset benötigt wird.”

Johannes Passion und Leidenschaft für dieses Thema hat uns mitgerissen. Wir sind gespannt, wie sich dieser Markt in den nächsten Jahren entwickeln wird und welche Rolle Aedifion in Zukunft dabei spielen wird. 

Die Themen des DW Podcast mit Johannes Fütterer im Überblick:

  • Vom Forschungsprojekt zum Unternehmertum (00:01:40)
  • Der Aufbau von Aedifion (00:08:20)
  • Die Bedeutung von ESG für Aedifion (00:11:21)
  • Die Hindernisse der Marktdisruption (00:15:57)
  • Dekarbonisierung als Ziel von Aedifion (00:23:10)
  • Was die nächsten Schritte sind (00:29:07)

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