Berlin traut sich was! Wie die Tegel Projekt GmbH das Quartier der Zukunft schafft.

Gudrun Sack (Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)

Gudrun Sack (Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)

Ein effizienter Einsatz von Energie, nachhaltiges Bauen, umweltschonende Mobilität, Recycling, die vernetzte Steuerung von Systemen - was klingt wie die perfekte Stadt der Zukunft entsteht derzeit in Berlin und zwar auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel.

Der Flughafen Tegel ist Geschichte. Mehr als 70 Jahre war Tegel ein Tor zur Welt. Am 8. November 2020 hob dort das letzte Flugzeug, ein Airbus von Air France, ab. Der gesamte Flugverkehr der Region wird von nun an über den neuen Flughafen Berlin Brandenburg BER Willy Brandt abgewickelt.

Doch das 500 Hektar große Areal soll keineswegs ungenutzt bleiben. Vor Ort entstehen ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien - Berlin TXL – The Urban Tech Republic - sowie das Schumacher Quartier als ein neues Wohnviertel. Hierfür hat das Land Berlin die Tegel Projekt GmbH beauftragt.

Der Startschuss für die Bauarbeiten des Westberliner Flughafens Berlin-Tegel fiel im August 1948. Gerade einmal nach knapp drei Monaten war die Landebahn fertig, zum damaligen Zeitpunkt übrigens die längste in Europa. Das Terminal selbst, der sechseckige Kubus, feierte im Jahr 1974 seine Eröffnung.

In den 1930er Jahren hatten dort Raketenpioniere um den Konstrukteur Rudolf Nebel Versuche mit flüssigkeitsbetriebenen Raketen unternommen. Im Zweiten Weltkrieg diente das Gelände als Truppenübungsplatz für die Flak-Regimenter der Luftwaffe.

Während des Kalten Krieges 1948 blockierte die Sowjetunion den Westen Berlins, sperrte sukzessive alle Land-, Schienen- und Wasserwege und kappte damit die wirtschaftliche Versorgung. Lediglich die Luftkorridore blieben frei, darauf hatten sich die Alliierten 1945/46 im Air Agreement geeinigt. Die drei Westmächte starteten eine Luftbrücke, um die Bevölkerung weiter versorgen zu können.

Neben den Flughäfen Tempelhof und Gatow wurde ein dritter Flughafen benötigt. Tegel wurde gebaut. Zehntausende arbeiteten in drei Schichten an der Umsetzung des Projektes. Am 1. Dezember 1948 wurde der Flughafen feierlich eröffnet, zwei Wochen nachdem dort der reguläre Flugbetrieb aufgenommen wurde.

Wie sieht das nächste Kapitel des Flughafens aus? 

Die Tegel Projekt GmbH hat Antworten. Gudrun Sack steht als Geschäftsführerin neben Frank Wolters an der Spitze der Gesellschaft. An historischer Stelle will sie ein Stück neues Berlin schaffen, innovativ und in Europa einzigartig. Mit dem Areal bekommt die Bundeshauptstadt ein Stück Urbanität zurück und gewinnt Flächen für Industrie, Gewerbe und Wissenschaft.

Bis wann steht das neue Quartier?

Das Hexagongebäude wird zunächst umgebaut, damit es als Hochschule funktionieren kann. Die Eröffnung ist derzeit für 2028 geplant. Das gesamte Vorhaben wird in Bauabschnitten umgesetzt. Bei einem optimalen Verlauf könnte 2045 alles fertiggestellt sein.

In der Urban Tech Republic sollen perspektivisch bis zu 1.000 große und kleinere Unternehmen mit 25.000 Beschäftigten forschen, entwickeln und produzieren. Darüber hinaus ist geplant, dass die Berliner Hochschule für Technik in das ehemalige Terminalgebäude einzieht. Perspektivisch halten sich so knapp 5.000 Studenten vor Ort auf. In einem zweiten Gebäude zieht die Projektgesellschaft ein und mit ihr das Innovationszentrum für Startups. Weitere Ansiedlungen erfolgen auf der Fläche drumherum.

Was ist auf dem alten Flughafengelände konkret geplant?

Die Urban Tech Republic versteht sich als Ökosystem und Innovationsort, als Heimat für die nächste Generation von Innovatorinnen und Innovatoren. Im Mittelpunkt steht hierbei der kollaborative Ansatz: Der Schlüssel zu Innovation liegt in der Vernetzung und Zusammenarbeit, mit dem Ziel das Leben der Menschen in den Städten mithilfe von grünen Zukunftstechnologien in den Kernbereichen Energie, Mobilität, Wasser, Recycling, Werkstoffe sowie Informations- und Kommunikationstechnologien gemeinsam zu verbessern.

Im Schumacher Quartier, an dem der Schumacher Platz angedockt wird, entstehen bis zu 5.000 Wohnungen für mehr als 10.000 Menschen. Das Quartier soll gemeinwohlorientiert entwickelt werden, 15 Prozent werden für sozialen Wohnungsbau vorgehalten. Diesen Part übernehmen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Weitere 40 Prozent werden von Baugenossenschaften und Baugruppen projektiert. Die in Erbbaurechtsverträgen festgesetzte Bedingung: Die Wohnungen müssen selbst genutzt werden. So bleiben die Wohnungen in Berliner Hand und gleichzeitig werden Ferienhaussiedlungen vermieden. Weitere Wohnungen gehen an Studierende. Die ersten Baugenehmigungen liegen bereits vor.

Auf der übrigen Fläche sollen Parkanlagen die Aufenthaltsqualität erhöhen und zur Naherholung beitragen. Die alten Start- und Landebahnen des Flughafens bleiben als Skaterbahnen und Fahrradstraẞen erhalten.

Das Schumacher Quartier wird ein autofreies Quartier. Die Autos werden in Mobility Hubs abgestellt. Damit das funktioniert, muss der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden.

Auch wenn die Rohbauarbeiten bisher nicht begonnen haben, laufen bereits seit rund zwei Jahren bauvorbereitende Maßnahmen auf dem Gelände. Aufgrund der vergangenen Nutzung wurde Munition im Boden gefunden. In der Konsequenz muss der verseuchte Boden ausgetauscht werden.

Für wen ist die Urban Tech Rebublic genau das Richtige?

Die Urban Tech Rebublic mit dazugehörigem Wohnquartier hat Modellcharakter. Im Fokus der Projektumsetzung stehen der effiziente Einsatz von Energie, nachhaltiges Bauen, umweltschonende Mobilität, Recycling, die vernetzte Steuerung von Systemen, sauberes Wasser und der Einsatz neuer Materialien.

Die Entwicklung des TXL-Areals wird seit 2008 gedacht. Dass der Flughafen seinen Betrieb als ebendieser einstellen sollte, wurde seit der Wiedervereinigung diskutiert. Doch die Umsetzung der Idee war an der Fertigstellung des Hauptstadtflughafens BER gekoppelt. Und diese dauerte.

„Nach dieser langen Planungsphase ist mir wichtig, dass wir jetzt an den Start kommen. Was wir jetzt in den Schubladen haben, ist alles sehr gut. Wir müssen mutig anfangen mit den ersten Objekten und dann gucken wir, wie es weitergeht. Eine gewisse Fehlerkultur gehört dazu. Dann müssen wir nachjustieren.“

Gudrun Sack kommt aus Bayern, hat in Berlin Architektur studiert und war mehr als 20 Jahre Partnerin bei NÄGELIARCHITEKTEN mit Büros in Berlin und Karlsruhe. Im April 2021 wurde sie in die Geschäftsführung der Tegel Projekt GmbH bestellt.

Schon immer lagen ihre Schwerpunkte im nachhaltigen Planen und Bauen. Ihr Augenmerk darauf hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft: Wie müssen Häuser beschaffen sein, wenn die Erderwärmung das Klima in Städten radikal verändert, wenn sich insbesondere Großstädte im Sommer radikal aufheizen? Wie wird die Energieversorgung künftig geregelt?

Gudrun Sack denkt im Quartier - bei all ihren Ideen. Das ist nur möglich, weil die Tegel-Fläche im Besitz Berlins verbleibt. Energie, die im Quartier erzeugt wird, bleibt im Quartier. Darüber hinaus entsteht ein Future Hub, eine Datenplattform, die Geo- oder Bewegungsdaten zur Verfügung stellt.

In der Urban Tech Rebublic finden Startups und kleine oder große Firmen ihr Zuhause, die sich mit Innovationstechniken der Zukunft beschäftigen - von der Wasseraufbereitung, über die Lebensmittelherstellung bis hin zur Energieversorgung.

Die Tegel Projekt GmbH wirkt als Managementgesellschaft, als Konzeptentwickler und auch als Baustellenlogistiker. Die Umsetzung der Einzelvorhaben wird in Ausschreibungsverfahren vergeben und liegt letztlich in Bauherrenhand.

Das zuletzt auf dem Areal organisierte Green Tech Festival wird zunächst weitergeführt, in den alten Hangars des Terminals - bis diese umgebaut und umgenutzt werden. Die Hangars selbst stehen unter Denkmalschutz und sollen in einigen Jahren zur Heimat für die größte Feuerwehrakademie Europas werden.

Das Alte zu bewahren und mit dem Neuen zu koppeln, ist eine der großen Herausforderungen des Mega-Projektes. Unter anderem ist eine Kooperation mit den Berliner Forsten geplant. Das landeseigene Holz soll in den Bauprojekten verwendet werden. Zeitgleich steht die Frage im Raum, wie Häuser unter Berücksichtigung der Schutzbedürfnisse der umliegenden Tierwelt realisiert werden können, indem zum Beispiel keine Eckverglasungen beim Bau verwendet werden, die häufig zur Todesfalle für Vögel werden.

„Wir müssen sozialverträglich bauen und wir müssen anders bauen. Wir wollen eine klimaverträgliche Bauwende. Holz ist ein wichtiges Baumaterial und in seiner CO2-Bilanz viel besser als Beton.“

Wer nicht bis zur Projektumsetzung warten möchte, kann an Führungen über den Flughafen teilnehmen. Diese werden durch den museumstechnischen Dienst in Berlin organisiert. Und vielleicht gibt es auch irgendwann ein Café im Flughafen-Tower, von dem aus beobachtet werden kann, wie es auf den umliegenden Baustellen vorangeht. Gudrun Sack zumindest kann sich das sehr gut vorstellen.

Die Themen des DIGITALWERK Podcasts mit Philipp Pausder im Überblick:

  • Weshalb Gudrun Sack betont, dass Berlin viel richtig gemacht hat (00:03:18)
  • Warum im Schumacher Quartier nur Erbbaurechtsverträge vergeben werden (00:08:59)
  • Weshalb Tegel ein Zukunftsort ist (00:16:44)
  • Warum das Green Tech Festival bleiben soll (00:27:13)
  • Was der Berliner Fuchs zu sagen hat (00:34:08)

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