Wie geht ein riesiges Unternehmen wie Saint-Gobain an das Nachhaltigkeitsthema heran?

Raimund Heinl (CEO Saint-Gobain Germany & Austria at Saint-Gobain) und Michél-Philipp Maruhn (Founder & Managing Director DIGITALWERK)

Raimund Heinl (CEO Saint-Gobain Germany & Austria at Saint-Gobain) und Michél-Philipp Maruhn (Founder & Managing Director DIGITALWERK)

Raimund Heinl, CEO von Saint-Gobain Germany & Austria über Nachhaltigkeit, Innovation und Grünstrom

In dieser Podcastfolge spricht Michél-Philipp Maruhn mit Raimund Heinl, dem CEO von Saint-Gobain Germany & Austria. Saint-Gobain ist ein riesiges Unternehmen mit einem Umsatz von über 50 Milliarden € und einer globalen Präsenz in 75 Ländern. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Unternehmen von dieser Größe und wie sieht es mit Konzepten wie "Cradle to Cradle" aus? Diesen Fragen geht Michél unter anderem auf den Grund und lässt dabei keine Phrasen aus den üblichen PowerPoint-Präsentationen von Unternehmen zu. Raimund Heinl spricht ohnehin offen und ehrlich über seine persönlichen Perspektiven, Wünsche und Herausforderungen.

Als Raimund über seine 37-jährige Karriere bei Saint-Gobain spricht, wird deutlich, dass Erfolg nicht nur von Zahlen und Umsätzen abhängt, sondern auch von Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und einem offenen Blick für neue Möglichkeiten. Seine Erfahrungen aus internationalen Märkten werfen ein neues Licht auf den deutschen Baustoffmarkt, der sich in seiner Komplexität und Stagnation von anderen Märkten unterscheidet.

Ein weiterer Aspekt, den Raimund anspricht, ist die Dynamik des Wachstums. Während Deutschland mit seinen komplexen Bauvorschriften und einem gesättigten Markt Herausforderungen bietet, erleben andere Länder eine Phase des Aufbruchs und der Innovation.

Die strategische Ausrichtung von Saint-Gobain auf Nachhaltigkeit

Raimund Heinl betont, dass Nachhaltigkeit ein zentraler Bestandteil der Konzernstrategie von Saint-Gobain ist. Als Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Leichtbauprodukten spezialisiert hat, strebt Saint-Gobain danach, Gebäude zu schaffen, die CO₂-arm sind, wenig Energie verbrauchen und weitgehend recycelbar sind.

Die Vision einer nachhaltigen Zukunft wird jedoch nicht nur von staatlichen Anreizen vorangetrieben. Raimund Heinl hebt hervor, dass die Initiative zur Förderung der Nachhaltigkeit von Saint-Gobains globalem CEO stammt. Dieser hat das Unternehmen in eine nachhaltige Richtung gelenkt, lange bevor die deutsche Regierung sich mit dem Thema intensiver befasste.

Der globale CEO von Saint-Gobain, ein erfahrener Experte der Bauindustrie, hat die Vision des Unternehmens maßgeblich geprägt und es als nachhaltiges Leichtbauunternehmen positioniert.

Raimund erläutert die konkreten Maßnahmen, die Saint-Gobain ergreift, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu gehören die Entwicklung von Produkten mit geringem CO₂-Fußabdruck, die Optimierung von Herstellungsverfahren zur Reduzierung des Energieverbrauchs und die Umstellung auf CO₂-freie Rohstoffe.

Raimund Heinl spricht über die vielfältigen Produkte von Saint-Gobain, die einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Gebäuden haben. Insbesondere das Thema Glas wird näher beleuchtet, da es eine der komplexesten Herausforderungen darstellt. Raimund Heinl erklärt, dass Glasproduktion ohne fossile Brennstoffe eine große Herausforderung ist, da Glasblasen vermieden werden müssen. Saint-Gobain investiert daher intensiv in die Forschung, um alternative Produktionsmethoden zu entwickeln, die den Einsatz fossiler Brennstoffe reduzieren oder sogar eliminieren.

In Bezug auf den deutschen Primärenergieverbrauch macht Raimund deutlich, dass 80 % fossile Energieträger ausmachen, während nur 20 % auf Strom entfallen. Die zentrale Herausforderung besteht darin, diese 80 %, die derzeit noch aus Kohle, Gas und Öl stammen, in grünen Strom umzuwandeln, um langfristig eine CO₂-neutrale Energieversorgung zu erreichen. Dieser Umwandlungsprozess, der vor allem auf erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie setzen würde, stößt jedoch an seine Grenzen – sowohl in Bezug auf die technische Machbarkeit als auch die Geschwindigkeit der Umsetzung. 

Die Diskussion um alternative Lösungen wie Wasserstoff als Speichermedium ist zwar relevant, jedoch allein keine umfassende Lösung für die Herausforderungen der Energiewende, so Raimund Heinl.

"Um die 80 %, die heute fossil sind (...) in grünen Strom umzuwandeln, kann sich jeder vorstellen: Ist nicht möglich. So viele Windräder und Solarzellen kann ich nicht bauen, weiß ich nicht, aber jedenfalls nicht mit der heutigen Geschwindigkeit."
– Raimund Heinl

Ein Bereich, in dem Saint-Gobain bereits weit fortgeschritten ist, ist die Produktion von ISOVER-Produkten. Ein Beispiel, das er anführt, ist die Produktion von ISOVER Isolierglas, das dazu beiträgt, den Energieverbrauch von Gebäuden zu reduzieren. Durch die Verwendung von energieeffizienten Materialien können Investitionen innerhalb kurzer Zeit amortisiert werden. Bei ISOVER-Produkten wird bereits zu einem Großteil Recyclingglas verwendet.

Obwohl die Umstellung auf Grünstrom eine komplexe Herausforderung darstellt, ist Saint-Gobain entschlossen, langfristig auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Die drastischen Preiserhöhungen für Gas haben Saint-Gobain vor enorme Herausforderungen gestellt. Um auf zukünftige Engpässe vorbereitet zu sein, hat das Unternehmen Maßnahmen ergriffen, um seine Produktion auf alternative Energiequellen wie Heizöl umzustellen. Dennoch betont Raimund Heinl die Notwendigkeit einer klaren Energiepolitik seitens der Bundesregierung, um langfristige Lösungen zu finden.

Er kritisiert die fehlende Kohärenz und Logik in der Kommunikation der aktuellen Energiepolitik und plädiert für klare Leitlinien und Unterstützung seitens der Regierung. Außerdem sagt  Raimund, dass Unternehmen wie Saint-Gobain bereit sind, sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, aber eine klare Orientierung und Unterstützung von staatlicher Seite erforderlich ist, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen.

"Ich verspreche mir, dass die Bundesregierung eine klare Linie reinbringt und klare Leitplanken setzt, damit wir als Industrie auch wissen, was wir tun müssen, eine klare Orientierung haben. Da muss auch eine Logik rein, die heute nicht da ist."
– Raimund Heinl

Ein einfaches Beispiel aus Frankreich zeigt, wie eine klare und vereinfachte Struktur die Akzeptanz und Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen fördern kann. 

Es gibt in Frankreich einen unkomplizierten Sanierungsfahrplan, der stabil ist. Wenn ein Sanierungsprojekt startet, weiß man in Frankreich, dass der Fahrplan auch noch in einem Jahr gilt. Das bedeutet, die Unternehmen müssen sich nicht hetzen und können sich darauf verlassen.

Im Gegensatz dazu ist die Förderlandschaft in Deutschland oft so komplex, dass viele Menschen sich nicht damit auseinandersetzen wollen oder können.

Raimund Heinl erläutert auch, wie Saint-Gobain intern das Thema Nachhaltigkeit kommuniziert und die Mitarbeiter:innen einbindet. Kleine Maßnahmen im Unternehmen werden gefördert, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu stärken, und es wird viel über die Energiewende kommuniziert, um das Engagement der Mitarbeiter:innen zu fördern.

Die Diskussion hebt die Bedeutung einer klaren und einfachen Kommunikation hervor, um die breite Bevölkerung und Unternehmen gleichermaßen für das Thema Nachhaltigkeit zu gewinnen und sie aktiv einzubeziehen.

Die Rolle der Digitalisierung und Cradle-to-Cradle bei Saint-Gobain

Raimund Heinl betont die entscheidende Bedeutung der Digitalisierung für die Optimierung der Produktionsprozesse bei Saint-Gobain. Durch den Einsatz digitaler Technologien können Energieverbrauch, Abfallproduktion und Produktqualität verbessert werden. Ein Beispiel dafür ist die präzise Steuerung der Feuchtigkeit beim Herstellungsprozess von Rigips, um den Energieeinsatz zu minimieren.

Zudem diskutiert Raimund Heinl das Konzept von Cradle-to-Cradle am Beispiel von Rigipsplatten. Saint-Gobain arbeitet aktiv daran, Produkte wie Rigipsplatten kreislauffähig zu machen. Dies geschieht durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die Altmaterialien recyceln und in den Produktionsprozess zurückführen. Diese Partnerschaften ermöglichen es Saint-Gobain, einen hohen Anteil an Recyclingmaterial in ihren Produkten zu integrieren und gleichzeitig die Umweltbelastung zu reduzieren.

Ein weiteres Thema von Michél ist die potenzielle Einführung von Leasingmodellen für Bauprodukte, ähnlich wie bei Autos. Dies würde es Kund:innen ermöglichen, Produkte wie Fenster über einen längeren Zeitraum zu nutzen und am Ende der Nutzungsdauer zurückzugeben, um sie wiederzuverwenden oder zu recyceln.

Raimund Heinl betont auch die herausragende technische Komplexität des deutschen Marktes im Vergleich zu anderen Ländern. Diese Komplexität bietet Chancen für innovative Lösungen und hochwertige Produkte im Bereich Bau und Renovierung.

Das Gespräch endet mit einem Ausblick auf die Zukunft und den ehrgeizigen Zielsetzungen von Saint-Gobain, bis 2045 CO₂-neutral zu sein. Raimund Heinl betont die Notwendigkeit, bereits jetzt die Technologien vorzubereiten, um diese Ziele zu erreichen, und verweist auf eine mögliche erneute Zusammenkunft in drei bis fünf Jahren, um den Fortschritt zu überprüfen.

Die Themen des DW Podcast mit Raimund Heinl  im Überblick:

  • (00:00:00) Um was geht es in der Podcastfolge?
  • (00:02:31) Welchen Werdegang hat Raimund Heinl zurückgelegt?
  • (00:07:08) Was waren die großen Meilensteine in Raimunds Karriere?
  • (00:11:36) Was bedeutet das Thema Nachhaltigkeit für Saint-Gobain?
  • (00:28:42) Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Bezug auf Nachhaltigkeit bei Saint-Gobain?

Passende Lektüre

Wenn diese Folge für dich interessant war und Dir dieser Beitrag gefallen hat, dann schau doch auch einmal hier vorbei:

Dann abonniere einfach das DIGITALWERK Community Update – und bleib anderen immer einen Schritt voraus!

Ein letzter Schritt: Bitte bestätige deine Eintragung, du hast hierfür eine E-Mail erhalten.
Ooops! Da ist etwas schief gelaufen. Bitte überprüfe deine Eingaben oder versuche es später erneut.