Der Alltag ohne lange Pendelei
Die Grundidee ist simpel: Alles, was Stadtbewohner brauchen, muss innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein. Der Arbeitsplatz, der Supermarkt, das Kino, die Arztpraxis – jedoch nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV.
Bei der bisherigen Bauweise deutscher Städte ist das nicht immer möglich. Der Wiederaufbau deutscher Städte nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich größtenteils an der Charta von Athen aus dem Jahre 1933. Wohnviertel, Gewerbe und Industrie wurden oft voneinander getrennt und Städte eher auf den Autoverkehr ausgerichtet. Heute weiß man, dass diese kurzsichtige Planung nicht zur Nachhaltigkeit beitrug.
Auch die öffentlichen Verkehrsmittel tragen durch ständige Ausfälle und Verspätungen nicht gerade zu diesem Wettrennen gegen die Zeit bei. Und auch mit der Schaffung neuer Wohnräume haben wir in Deutschland bekanntermaßen ein großes Problem.
Doch müssen Städte dafür vollkommen erneuert werden? Experten sagen: Nein! Öffentliche Räume sollten lediglich umgestaltet werden. Wohnraum muss nicht erst dort geschaffen werden, wo Grünflächen und Unterhaltungsgewerbe bereits existieren. Ganz im Gegenteil: Parks, Geschäfte und Orte der Unterhaltung müssten viel mehr in den bereits bestehenden Wohnräumen integriert werden.
Weniger Autoverkehr hat Folgen
Es gibt Studien, die eine Reduzierung des Autoverkehrs in Städten positiv sehen. Kosten würden dadurch gespart und Städte attraktiver für den Tourismus. Auch die Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner seien spürbar.
Geschäftsinhaber reagieren oft erst einmal skeptisch auf solche Pläne. Die Anbindung für Lieferanten sei erschwert und Umsätze könnten durch fehlende Kunden einbrechen. Jedoch zeigten reale Beispiele, dass weniger Autoverkehr auch zur Umsatzsteigerung von Geschäften in Städten beitragen kann. In der US-Stadt Portland wurde der Autoverkehr um 20 Prozent reduziert. Seitdem erhöhte sich der Umsatz der Geschäfte deutlich, da mehr Fußgänger und Radfahrer durch die Einkaufsmeilen flanierten.
Ein prominentes Beispiel, in dem viele Stimmen anderer Meinung waren, ist die Friedrichstraße in Berlin. Dort wurde in den letzten Jahren bekanntermaßen ein für die Hauptstadt unbekanntes Experiment gewagt und Autos aus einem 500 Meter langen Streifen verbannt. Der Aufschrei einiger Anwohner und Geschäftsinhaber war groß. Das Autoverbot würde dem Geschäft lediglich schaden. Die Friedrichstraße wurde zum Politikum, das die damalige rot-rot-grüne Regierung spaltete. Mittlerweile sind die Autos zurückgekehrt.
Mega-Städte setzen Konzept bereits um
Das Konzept der 15-Minuten-Stadt ist dabei bereits weit über den Status einer Idee hinaus. Weltweit wurden in 16 Städten bereits einzelne Viertel oder gar ganze Städte an diesen Ansatz angepasst.
Ein prominentes Beispiel, das gar nicht so weit entfernt ist: Paris. Urbanist Carlos Moreno und Bürgermeisterin Anne Hidalgo arbeiten bereits seit 2016 an der Umgestaltung der französischen Hauptstadt. Im Fokus dabei stehen die Schulen, die in kürzester Zeit für die Bewohner erreichbar sein sollen. Zudem werden die Schulhöfe mit immer mehr Grünflächen ausgestattet, um so auch andere Freizeitaktivitäten zu ermöglichen.
Auch Fahrradfahrer können in Paris in eine grünere Zukunft blicken. Viele Flächen, vor allem die Hälfte aller Parkplätze, sollen in Grünflächen, Spielplätze oder eben Fahrradstellplätze umgewandelt werden. Das Projekt soll bis 2026 abgeschlossen sein. Auch Shanghai oder Städte in Großbritannien setzen auf Konzepte, die stark an die Idee der 15-Minuten-Stadt angelehnt sind.
Die Gefahr der Gentrifizierung
Doch natürlich birgt ein solches Projekt auch Gefahren und eine Pauschallösung für alle Städte weltweit wird es nicht geben. Experten warnen vor Gentrifizierung, wenn nicht ausreichend Stadtbezirke in solche Prozesse einbezogen werden.
Die klassischen Kategorien wie Zentrum, Wohngebiet, Gewerbe und Vororte sollten im besten Falle vermieden werden. Ein Problem, das wir ausgerechnet aus Frankreich kennen und dort oft zu sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung führen.
Wichtig sei eine ausreichende Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und den Bürgern. Zudem sind die Maßnahmen zur Umsetzung der 15-Minuten-Stadt für jeden Ort unterschiedlich.