Künstliche Intelligenz: Hat Europa das globale KI-Rennen schon verloren?

August 13, 2025
Autor/in:
Thomas Lippold

Europa kämpft im globalen KI-Wettrennen gegen den Vorsprung der USA, die mit Kapital, Talent und Tempo dominieren. Dahinter steckt auch eine unglaublich hohe Fördersumme, die Venture-Capital im Jahr 2023 investierte. Gelingt Europa hier die Aufholjagd?

Bildquelle:

Europa im KI-Wettrennen: Zwei Stimmen, zwei Perspektiven

Künstliche Intelligenz und digitale Wertschöpfung prägen die Wirtschaft der Zukunft. Die Debatte, ob Europa hier schon den Anschluss verloren hat, kann an zwei aktuellen Aussagen illustriert werden. Johannes Fütterer ist CEO von aedifion. Das Unternehmen analysiert mithilfe von KI Daten aus Gebäuden, um diese energieeffizienter zu betreiben. Er spricht im aktuellen DIGITALWERK-Podcast von einer verlorenen Schlacht: Große KI-Modelle entstünden in Europa nicht mehr. 

Johannes Fütterer, Founder und CEO von aedifion, im DIGITALWERK-Podcast.

Den ersten Kampf um die digitale Wertschöpfung von morgen haben wir in Europa komplett verloren. Wir werden keine großen Foundation Models in Europa mehr auf die Beine stellen.
  • Johannes Fütterer, CEO von aedifion

Deutschlands Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger, sieht dagegen weiterhin Chancen, wie er kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel verriet. Er kritisiert, dass eine einzige europäische KI nicht reiche, und betont die Wichtigkeit von europäischen Gigafactories. Außerdem fordert er die Entwicklung von eigenen Foundation Models in Europa. Das könnte allerdings mit Blick in den Rückspiegel eng werden. 

Beide Aussagen stehen sich gegenüber. Doch wer hat Recht? Die Frage ist von enormer Tragweite, weil KI nicht nur ein Technologiethema ist, sondern wirtschaftliche und geopolitische Macht verschiebt. 

Faktenlage: KI-Modelle zwischen USA und Europa

Die führenden Foundation Models stammen bislang aus den USA. Die Grundlagenmodelle werden mit extrem vielen Daten “angelernt”, um als Ausgangspunkt für die Künstliche Intelligenz zu dienen. US-Firmen wie OpenAI (ChatGPT), Google (Gemini), Perplexity (Perplexity.ai) oder Anthropic (Claude) dominieren mit Kapazitäten, Kapital und Technologie. 

Europas Anteil ist gering—Mistral aus Frankreich und Aleph Alpha sind bislang Ausnahmen. Dabei hat sich der deutsche Anbieter Aleph Alpha bereits 2024 aus dem Wettrennen um das beste Modell verabschiedet. Aufgrund der Marktdominanz von Anbietern wie Anthropic oder OpenAI entschied man sich, den Fokus vom Bau eines Grundlagenmodells in die Anwendung zu verlagern. 

Aktuell entwickelt man ein Betriebssystem und will sich auf Unternehmenskunden spezialisieren.

Auch im Cloud-Bereich zeigt sich die Abhängigkeit: Drei Viertel der Leistungen kommen von großen US-Anbietern wie der Google Cloud Platform (GCP), Microsoft Azure oder Amazon Web Services (AWS). Diese Zahlen sind nicht nur Bestandsaufnahme, sondern Warnsignal für die europäischen Wirtschafts- und Forschungssysteme.

Warum dominiert die USA im Bereich der Künstlichen Intelligenz?

Im Silicon Valley treffen Risikokapital, Talente und Datenschutzregeln auf eine innovationsfreudige Kultur. Europa kämpft dagegen mit fragmentierten Märkten, geringeren Finanzierungen und striktem Datenschutz. Hinzu kommt, dass große öffentliche und private Investitionen in KI in den USA oft schneller freigegeben und umgesetzt werden. 

Auch kulturell existiert dort eine größere Bereitschaft, hohe Risiken für potenziell disruptive Technologien zu akzeptieren. Diese Dynamik hat zu einer enormen Beschleunigung geführt, die Europa bisher nicht erreichen konnte.

Nirgendwo wurde so viel in Künstliche Intelligenz investiert, wie in den USA

Mit Mistral in Frankreich und Aleph Alpha in Deutschland gibt es große Player. Die EU will zusätzlich in „AI Gigafactories“, Forschungszentren und gezielte Förderung investieren. Mit Blick auf die beispielsweise im Jahr 2023 getätigten Venture Capital-Investments in den Bereichen KI liegt die EU mit 8 Milliarden Dollar weit abgeschlagen auf Platz 3 hinter China (15 Milliarden Dollar). Unangefochtener Spitzenreiter sind die USA: ganze 68 Milliarden US-Dollar stellten Investoren hier KI-Unternehmen zur Verfügung.

Illustration: Perplexity

Ist das KI-Rennen verloren?

Entschieden ist es vielleicht noch nicht. Dennoch dürften die bislang getätigten Investitionen in den USA ein Vorsprung sein, der sich mittlerweile nur schwer bis gar nicht mehr aufholen lässt. Die Marktreife und konstante Nutzung von US-amerikanischen KIs wie ChatGPT, Gemini oder Perplexity sind bei allen Endverbrauchern angekommen. 

Entwickler von Prozessoren wie Nvidia sind treibend in der Entwicklung von KI-Technologien. Grafikprozessoren des Unternehmens spielen eine wichtige Rolle im Training von KI-Modellen. Das US-amerikanische Unternehmen hat aktuell einen historischen Marktwert von 4,2 Billionen Dollar. In der EU gibt es kein vergleichbares Unternehmen. 

Auch wenn der KI-Zug mittlerweile in Gange ist, müssen wir in Europa Gas geben, um vielleicht auf der zweiten Welle des KI-Zeitalters taktgebend mitzusurfen, wie Johannes es im aktuellen Podcast passend formuliert. Das kann gelingen, indem wir basierend auf der Grundlagentechnologie die besten Businesscases bauen. In der Hinsicht könnte dann auch das deutsche Unternehmen Aleph Alpha ein vielversprechender Kandidat sein.

Zurück zur Übersicht
Das könnte Dich auch interessieren: